Waldverlust durch Kiesabbau – Wirklich kein Thema für Egelsbach?

von Klaus Göbel, BUND-Aktivist

 

Der Klimawandel ist bei uns allen angekommen. Man kann es spüren und sehen. Unserem hiesigen Wald, der so wichtig ist für das regionale Klima, die Grundwasserneubildung und für saubere Luft, geht es richtig schlecht. Der Hessische Waldzustandsbericht 2020 bezeichnet die Wälder im Rhein-Main-Gebiet als „forstliche Brennpunkte Mitteleuropas“. Durch Flächenverbrauch, Zerschneidung, Stoffeinträge und Wasserentnahmen ist in den hiesigen Wäldern inzwischen im Kontext der klimatischen Veränderungen eine schleichende „Destabilisierung“ eingetreten, die auf Grund der damit verbundenen „Forstauflösungserscheinungen“ vielerorts einen geordneten Forstbetrieb nicht mehr möglich macht. Das bedeutet, es ist nicht mehr „fünf vor zwölf“, sondern die Uhr für unsere Wälder, so wie wir sie kennen, ist tatsächlich bereits abgelaufen.

Forstauflösungserscheinungen im Wald

Stetig frisst sich der Bagger an der Südosterweiterung in den Stadtwald von Langen. Durch Rodung freigestellte Waldränder sind besonders empfindlich gegen direkte Sonneneinstrahlung und Windwurf.
Foto: GRÜNE, privat

Vor dem Hintergrund dieses absehbaren forstökologischen Katastrophenszenarios könnte man meinen, dass dieses Thema bei den politischen Verantwortlichen ganz oben auf der Agenda stünde und auch in der breiten Öffentlichkeit im Fokus der Aufmerksamkeit stehen müsste. Schließlich ist es allerhöchste Zeit, alle Hebel in Bewegung zu setzen, um diese dramatische Entwicklung aufzuhalten, oder zumindest zu verlangsamen. Doch leider spielen gegenläufige politische und ökonomische Interessen immer noch eine größere Rolle, als der Erhalt unserer Lebensgrundlagen. Immer noch werden auf der Suche nach billigen Rohstoffen direkt vor unserer Haustür Jahr für Jahr zusätzlich riesige intakte Waldflächen dem Kiesabbau geopfert.

Das Abbauunternehmen Sehring AG und die Genehmigungsbehörden begründen dies immer wieder damit, dass ja bereits abgebaute Flächen immer wieder schnell renaturiert und ordentlich aufgeforstet werden.

Es stimmt auch, dass bereits seit 1991 in den verschiedenen Kiesabbaugenehmigungen eine strikte Kopplung zwischen der Waldinanspruchnahme und der Rekultivierung bereits ausgebeuteter Flächen festgelegt ist. Im Planfeststellungsbeschluss von damals heißt es dazu konkret: “Abbau und Rekultivierung erfolgen abschnittsweise. Vor Inangriffnahme eines neuen Abbauabschnittes muss die Rekultivierung des letzten Abbauabschnittes begonnen, die des vorletzten Abbauabschnittes abgeschlossen sein.“

Erschreckende Defizite bei Wiederaufforstung und Renaturierung

Seit 1938 baut die Firma Sehring im Wald südöstlich der Bundesstraße 44 Sand und Kies ab. Das in dem ehemals fast geschlossenen Waldgebiet gelegenen Abbaugebiet ist mit über 250 Hektar inzwischen fast so groß wie das gesamte Stadtgebiet von Langen.

Doch Papier ist ja bekanntermaßen geduldig, und schaut man genauer hin, sieht die Realität dort völlig anders aus: Während an der Südosterweiterung der Wald zunehmend weiter verschwindet, hinkt die Renaturierung und Wiederaufforstung der alten Tagebaubereiche in vielen Abschnitte inzwischen um fast zwei Jahrzehnte gegenüber den ursprünglichen Planungen hinterher. Ein Blick in die Rekultivierungsbilanz für den Bereich der ehemaligen Ostgrube zeigt dies in erschreckender Art und Weise (siehe Kasten). Hier hätten die Wiedergutmachungsmaßnahmen gemäß des vorgenannten Planfeststellungsbeschlusses spätestens bis Ende des Jahres 2005 abgeschlossen sein müssen. Doch über 15 Jahre nach Überschreiten der vormals festgelegten Rekultivierungsfrist hat man es auf einer Fläche von über 102 FIFA-Fußballfeldern nicht zustande gebracht, die vorgesehene Rekultivierung so hinzubekommen, dass die Forst- und Naturschutzbehörden die Maßnahmen für abgeschlossen erklären können. Dies ist vor dem Hintergrund des eingangs erwähnten Zustands des gesamten Waldes so nicht mehr hinnehmbar!

Von den Kontrollbehörden, aber auch von den kommunalen Grundeigentümern, wurde und wird versäumt, eine zeitnahe „Wiedergutmachung“ einzufordern, bevor im Umfeld neuer Wald für „den Weiterbetrieb des Kiesabbaus abgeholzt wird. Somit klafft dort die Schere zwischen fortschreitendem Waldverlust auf der einen und erfolgreicher Renaturierung sowie Wiederaufforstung auf der anderen Seite immer weiter auseinander.

Dies hat fatale Folgen: Die alten, durch die Folgen des Klimawandels bereits geschwächten Waldbestände nehmen immer weiter ab, und die zögerliche Rekultivierung kann die verlorenen Waldfunktionen nicht mal ansatzweise ersetzen.“

Auch Egelsbach sitzt mit im Boot

Doch was hat das mit Egelsbach zu tun? Schließlich liegen die neu genehmigten Abbauflächen ja vollständig im Langener Stadtwald. So einfach ist es eben aber nicht. Der westliche Bereich des Tagebaubetriebes liegt teilweise auf Egelsbacher Gemarkungs- gebiet. Dort befinden sich Betriebseinrichtungen und Unter- nehmen, die sich unter anderem mit der Weiterverarbeitung der gewonnenen Rohstoffe beschäftigen. Diese Flächen haben aber per se nichts mit den neu genehmigten Langener Abbauflächen zu tun und sollten inklusive des sogenannten „Egelsbacher Sees“ gemäß Planfeststellungsbeschluss von 1991 zum Ende des Jahres 2015 wieder vollständig rekultiviert sein.

Darunter fällt bspw. auch eine ca. 40.000 m² große Fläche, auf der die Firma Lithonplus bis heute Betonsteine produziert. Dieses Areal, das vollständig auf Egelsbacher Gemeindegebiet liegt, sollte ebenfalls bis zum Ende des Jahres 2015 vollständig rekultiviert sein. Doch kurz vor Ablauf dieser Frist beantragte die Firma Sehring AG, die das Gelände von der Gemeinde Egelsbach gepachtet und an Lithonplus weitervermietet hat, bei dem Regierungspräsidium Darmstadt mal eben, die Rekultivierungsverpflichtung um sage und schreibe 23 Jahre zu verschieben. Und weil die Rechts- und Genehmigungslage auch für die Darmstädter Behörde ziemlich verworren zu sein scheint, lässt man sich mit einer Entscheidung auch erst einmal richtig viel Zeit. Bis heute liegt dazu keine abschließende Entscheidung vor!

Bei konsequentem Vollzug dieser Vorgaben hätte man jedoch die Folgeschäden durch den Kiesabbau schon erheblich reduzieren können, und auch der Bevölkerung stünden diese Flächen wieder uneingeschränkt zur Freizeitgestaltung und Naherholung zur Verfügung. Und es wird noch schlimmer: in der Annahme, dass diese Genehmigung nun zeitnah erteilt werden wird, hat die Sehring AG den bis 2025 datierten Pachtvertrag für die Flächen, kurzfristig einfach mal um 5 Jahre verlängert. Dieser Verlängerung hätte die Gemeinde widersprechen können. Doch einer Mehrheit der Egelsbacher Kommunalpolitiker*innen sind die Pachteinnahmen aus diesem Vertrag offensichtlich wichtiger, als darauf zu bestehen, dass der Raubbau an Natur und Umwelt durch den Kiesabbau schnellstmöglich ausgeglichen wird. Leider wird dieser laxe Umgang bei der fristgerechten Umsetzung der Rekultivierungsverpflichtungen von der Bergaufsicht beim Regierungspräsidium Darmstadt mitgetragen.

Wiederaufforstung alter Tagebauflächen muss Priorität haben

Damit unsere hiesigen Wälder nicht zusätzlich zu den Folgen des Klimawandels auch noch durch weitere schädliche Auswirkungen aus dem Kiesabbau geschwächt werden, ist konsequentes Handeln und ein Umdenken im Umgang mit den noch verbliebenen Waldgebieten extrem wichtig.

Seit nunmehr fast 40 Jahren setzen sich Grüne-Politiker*innen und Politiker in Langen und Egelsbach gegen die negativen Auswirkungen des Kiesabbaus und für den Walderhalt ein. Doch immer wieder duckt sich hier bei uns die politische Mehrheit weg, wenn es gilt, auch die Folgen des Rohstoffabbaus zu bewältigen.

Unser Wald braucht daher eine starke GRÜNE Lobby in der Egelsbacher Gemeindevertretung und in der Langener Stadtverordnetenversammlung

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