Von einem, der auszog, Elektroauto zu fahren


von Jörg Strobel

-Ein satirischer Tatsachenbericht-

Alles begann mit einem Brief der Leasingfirma meines Firmenwagens, mein Auto muss spätestens in 4 Monaten zurück. Was? Schon wieder 2 Jahre rum, die Zeit rennt. Es folgt ein Anruf beim Autohändler, der mitteilt, dass es unmöglich ist, meinen Leasingvertrag zu den gleichen Konditionen zu verlängern. Also muss das Ding zurück. Ist zwar ökologischer Blödsinn, aber was will man machen.

Es muss also eine Entscheidung über ein neues Auto her. Nach ein paar Tagen Recherche im Internet fällt die Entscheidung: Es wird ein Elektroauto. Mein ökologisches Herz jubelt und der Kaufmann in mir ist angesichts staatlicher Förderung und extrem niedriger Leasingraten ebenfalls zufrieden. 2 Kröten gilt es zu schlucken. Das neue Fahrzeug muss noch in 2020 zugelassen werden (ich habe also für 10 Wochen 2 Autos) und es muss in Hamburg abgeholt werden.

Ich werde von ein paar Freunden gewarnt. Wie weit fährt Dein Auto? Hamburg – Egelsbach das wird ein Abenteuer! Sie hatten Recht, wie sich herausstellen sollte.

Eine Recherche im Internet über Lademöglichkeiten gibt Hoffnung, dass die Bezahlsysteme mittlerweile einheitlich sind –  Schlecht recherchiert!!

Dann war es soweit, 10 Tage vor Weihnachten habe ich sowieso einen Geschäftstermin in Hamburg und kann beides verbinden. Meine Freundin begleitet mich, die Rückfahrt ist mit 2 Autos geplant. Bei der Übergabe im Autohaus bekomme ich noch einen Ladechip. Die Frage nach der Einsatzmöglichkeit quittiert der Verkäufer mit einem Lächeln, „natürlich geht der an jeder Ladestation!“. Um 16.00 Uhr geht´s los, mein Auto hat laut Prospekt eine Reichweite von 470 km, die sich im Hamburger Winter als „echte“ 335 km entpuppen. Macht aber nichts, schließlich ist der Trip sorgfältig geplant und der Chip funktioniert an jeder Säule….

Die geplante Ladestation steht an der A7 am Rasthof Harz West und hat 5 Schnellladestationen. 30 Minuten Pause, ein Kaffee, weiter bis nach Hause. So der Plan.

Eine Ladestation abgedeckt, die anderen 4 außer Betrieb. So die Realität. Eine Nachfrage beim Rasthofpersonal ergibt, dass die Dinger schon lange stehen, aber nie angeschlossen wurden.

Also fahre ich weiter, 40 km fährt es ja noch und es sind ja schließlich alle Ladestationen im Navi. Das meldet sich auch gleich: Nächste Ausfahrt „Seesen am Harz“, ab ins Gewerbegebiet. Es ist stockdunkel, niemand auf der Straße, Erzhausen ist eine Großstadt gegen das hier. Nach einigem Suchen ist auch die Ladestation in Sicht. Das Auto wird angeschlossen, der Chip funktioniert nicht. Man muss einen QR Code scannen und dann seine Kreditkarte eingeben. Super, es lädt. Wir beschließen, uns einen Kaffee zu kaufen. Nach 30 Minuten suchen, fahren wir frustriert zurück zur Säule. Das Auto ist 2% geladen. Ich entdecke ein Schild an der Säule kurz über dem Boden „leider können wir Ihnen die Schnellladefunktion an dieser Säule noch nicht anbieten…“.

Zurück auf die Autobahn, 35km fährt es noch. Autohof Northeim Nord, die vermeintliche Rettung. Der Chip funktioniert natürlich nicht. Diesmal muss man sich eine App herunterladen und die Kreditkarte eingeben, dann geht´s los. Nach 10 Minuten beschließen wir, einen Kaffee zu kaufen. Das Geld ist im E-Auto. Beim Öffnen wird der Ladevorgang abgebrochen (wieder was gelernt!) und lässt sich anschließend nicht mehr starten, weil die App glaubt, es würde immer noch geladen. Aber nach 10min. an der Schnellladesäule sind immerhin 15% geladen und es gehen wieder 45km. Wir beschließen, dass meine Freundin nach Hause fährt. Schließlich ist es schon 22.00 Uhr, es sind noch gut 300 km bis nach Egelsbach und der Diesel in ihrem Auto reicht noch mind. 500km.

Ich fahre weiter und erreiche den Rasthof Göttingen. Altes Spiel – Chip funktioniert nicht – App downloaden, Kreditkarte eingeben – laden. Die Ladesäule ist langsam, nach 1 Stunde ist 70% im Akku. Sollte reichen.

Leider nicht. Nach 20 km wird klar, es fehlen 30 km. Also Strom sparen, langsam fahren, Heizung aus.

Nach rund 100 km und der Erkenntnis, dass auch Frieren nichts nützt, begebe ich mich wieder auf die Suche nach einer Ladestation und lande auf einem Autohof irgendwo zwischen Kassel und Kirchheim. Chip funktioniert nicht, QR Quode scannen, Kreditkarte eingeben. Dann piepst das Handy und eine SMS meldet, dass gerade meine Kreditkarte gesperrt wurde. Shit happens, aber ich habe ja noch eine. Also wieder QR Code scannen. Dabei verabschiedet sich dann der Akku meines Handys und mir fällt auf, dass das Ladekabel im anderen Auto und sicher schon in Egelsbach ist…..

Weiterfahren, es hilft ja nichts. Bis Friedberg komme ich sicher.

Ich erreiche den Rasthof Rimberg. Dort stehen mehrere moderne Ladesäulen, mein Chip funktioniert und nach 15 Minuten bin ich wieder bei 55%. So einfach könnte es also auch gehen.

Um 2.03 Uhr erreiche ich Egelsbach, freue mich, dass ich wegen der Ausgangssperre nicht angehalten werde und diese Story auch noch der Polizei erzählen muss. Ich erinnere mich, dass ich mit der Bahn auch schon mal 10 Stunden von Hamburg nach Egelsbach gebraucht habe…

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