Nachhaltigkeit im Alltag oder wie man erfolgreich daran scheitert


von Tobias Alarcon

Die Erde wird wärmer. Das 2-Grad-Ziel scheint in weite Ferne gerückt. Die Umwelt leidet. Wir produzieren so viel Müll wie noch nie, unsere Wälder sterben und die Artenvielfalt nimmt rapide ab. Die Folgen werden immer sichtbarer, auch bei uns. Die Klima- und Umweltkrise (eigentlich ja mehr eine Katastrophe) ist da und hat solche Dimensionen angenommen, dass ich mich frage: Was kann ich in meinem Alltag eigentlich tun, um einen Beitrag für mehr Klima- und Umweltschutz zu leisten? Das frage ich mich nicht erst seit gestern. Ich beschäftige mich nun schon mehrere Jahre mit dem Thema und versuche mein Verhalten und meinen Konsum immer wieder auf den Prüfstand zu stellen und anzupassen. Das ist nur nicht immer ganz so einfach. Und wo fängt man da überhaupt an? Ich möchte eine Lanze für die die unperfekte Nachhaltigkeit im Alltag brechen.

Ein großer Hebel für ein nachhaltigeres Leben ist Ernährung. Es ist bekannt, dass der hohe Konsum von tierischen Lebensmitteln, insbesondere Fleisch, ein großer Treiber der Klima- und Umweltkrise ist. So verursacht ein Kilo Rindfleisch umgerechnet bereits über 13 Kilogramm CO2. Andere tierische Lebensmittel wie Milch, Käse und Eier stehen ebenfalls weit oben auf der Liste – Butter ist sogar mit über 20 Kilogramm Spitzenreiter. Doch nicht nur der CO2 Ausstoß ist ein Problem. Die industrielle Massentierhaltung braucht viel Platz. Platz für Tiere und Platz für den Anbau von Futter.

Wenn ich weiterhin alles esse, nehme ich nur durch meine Ernährungsweise etwa mehr als dreimal so viel Anbaufläche wie Veganer*innen in Anspruch. Der Grund ist naheliegend: Nur ein Fünftel des verfütterten und vorher in Form von Soja angebauten Proteins landet am Ende auf meinem Teller. (Übrigens: die riesigen und zerstörerischen Sojaplantagen, die den Regenwald zurückdrängen werden für die Herstellung von Tierfutter verwendet. Soja für Sojaschnitzel kommt meist aus Europa) Vegan ist daher in aller Munde. Doch auch vegetarisch zu leben oder einfach öfters auf Fleisch und tierische Produkte zu verzichten macht bereits einen großen Unterschied.

Ich habe eine Zeit lang vegan gelebt, davor deutlich länger vegetarisch. Dann bin ich gescheitert und esse nun wieder so gut wie alles, wäge aber ab. Zuhause ist mein Fleisch- und Fischkonsum stark reduziert, Milch trinke ich gar nicht mehr. Viele Gerichte, die ich während meiner Ausflüge in neue Ernährungswelten kennengelernt habe, sind heute noch ein treuer Begleiter und viele davon vegan. Wenn ich auswärts esse sieht das dann, je nach Lokalität, schon wieder anders aus. Ich sündige auch bei sogenannten „Klimakillern“ wie der Avocado. Sie verbraucht im Anbau schließlich auch stolze 1.000 Liter Trinkwasser. Doch wenn ein Kilo Rindfleisch 10.000 Liter Wasser verbraucht und eine Avocado „nur“ 1.000 Liter, dann kann ich die doch auch mal essen. Muss sie deshalb aber ein Teil meiner täglichen Ernährung sein? Ich denke nicht.

Neben Ernährung ist auch Mobilität ein erheblicher Faktor, der den Klimawandel beschleunigt und die Umwelt weiter belastet. Ich habe kein Auto und bewerkstellige alle Erledigungen und Wege zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit der Bahn. Das wirkt wir ein Grünen-Klischee – ist es vielleicht auch. Ich habe allerdings auch keine Verpflichtungen, die ein Auto nötig machen, auch keine Familie oder Kinder. Es liegt im Rahmen meiner Möglichkeiten. Außerdem habe ich bei meinem letzten Umzug auf Ökostrom umgestellt. Das kostet allerdings mehr und ich bin mir bewusst, dass das nicht im Rahmen der Möglichkeit aller liegt.

An anderer Stelle scheitere ich wiederum, vielleicht auch aufgrund des fehlenden Autos. Ich bestelle viel online. Das geht schnell und ist komfortabel – und ist eben schlecht für Umwelt. Letztens bestellte ich mir zudem umweltschonendes und nur in Papier verpacktes Waschmittel. Dabei habe ich noch konventionelles übrig. Es ist doch eigentlich logisch: Egal wie nachhaltig und toll etwas für die Umwelt sein mag, nichts ist nachhaltiger, als alte Dinge erstmal aufzubrauchen, beziehungsweise weiter zu benutzen. Schmeißen wir Dinge weg, sind diese damit nicht automatisch verschwunden. Aus den Augen aus dem Sinn findet hier leider keine Anwendung. Beschädigte Möbel oder Geräte könnte man vielleicht noch reparieren. Also ich nicht. Ich habe zwei linke Hände.

Und dann gibt es da noch all die kleinen Dinge, auf die ich immer mehr im Alltag achte. So kaufe ich kein abgepacktes Wasser mehr, denn die Leitungswasserqualität in Deutschland ist hervorragend (und ohne Auto kann man das auch so schlecht transportieren). So spare ich Transportwege und Plastikverpackung ein. Für unterwegs gibt es eine kleine Trinkflasche, die man auch, wenn man freundlich fragt, in manchen Geschäften oder Restaurants auffüllen lassen kann. Auch Plastiktüten nutze ich lange nicht mehr. Für den Einkauf habe ich Rucksack und Beutel dabei und Obst und Gemüse kann man überall unverpackt kaufen.

Der sogenannte Earth Overshoot Day gibt jedes Jahr an, ab welchem Tag des Kalenderjahres die Kapazität natürlicher nachwachsender Rohstoffe unseres Planeten aufgebraucht ist. Letztes Jahr war es der 22. August. Es wird jedes Jahr früher. Es gibt auch verschiedene CO2-Fußabdruck-Rechner im Internet zu finden, die einem nach Fragen zu verschiedenen Lebensbereichen berechnen, wie viele Planeten wir bräuchten, wenn jeder Mensch so leben würde. Probieren Sie es gerne mal aus. Ich verrate Ihnen an dieser Stelle so viel über meinen: Eine Erde reicht bei meiner Lebensweise nicht aus.

Nachhaltigkeit klingt im Schatten von Begriffen wie Minimalismus, Veganismus oder Zero Waste schnell wie ein Trend, auf den jetzt alle aufspringen müssen. Doch nachhaltig ist vor allem vieles, was sich in der Vergangenheit bereits bewährt hat: Kaputte Dinge reparieren (lassen – Sie wissen ja, die Hände), Second Hand auf Flohmärkten oder entsprechenden Läden einkaufen, re- und upcyclen, Dinge, die man nicht mehr braucht, weitergeben oder sich auf die eine große fleischige Mahlzeit in der Woche reduzieren (der Sonntag in Sonntagsbraten kommt schließlich nicht von ungefähr).

Ich bin mir darüber bewusst, dass nicht jede*r die Wahl, Zeit oder Geldmittel hat, um alle Dinge umzusetzen, die einen Alltag zu Zero-Waste und Zero-Emissions machen. Das sehe ich ja an mir selbst. Doch das sollte meiner Meinung nach auch nicht der Anspruch sein. Mein Anspruch an mich ist, dass ich mein Verhalten und meinen Konsum reflektiere. Dass ich mir überlege, welche Änderungen sich gut in meinen Alltag integrieren lassen. Dass ich für mich herausfinde, wo meine Grenzen liegen und wie ich diese vielleicht doch noch ein Stück weiter ausreizen kann.

Es ist höchst unwahrscheinlich, dass wir alle mit dem Versuch eines perfekten nachhaltigen Lebens erfolgreich sind. Also lassen Sie uns doch gemeinsam an der Perfektion scheitern und unperfekt viele kleine Schritte in die richtige Richtung gehen und so dann doch irgendwie Erfolg haben.

 

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